
Welche Symbolkraft hat der Chefschreibtisch? Müssen Möbel für Homeoffice und Büro gleichermaßen einsetzbar sein? Raphael Gielgen ist Future of Work Trendscout bei Vitra und hat mit uns über Design, Ergonomie und das perfekte Match zwischen Vitra und Design Offices gesprochen.
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Welche Symbolkraft hat der Chefschreibtisch im Jahr 2021 noch? Müssen Möbel gleichermaßen für Homeoffice und Büro einsetzbar sein und damit einen flexibleren Charakter besitzen? Raphael Gielgen ist Future of Work Trendscout bei Vitra. Er ist viel auf Reisen und mit unterschiedlichsten Unternehmen weltweit vernetzt, immer auf der Suche nach aktuellen Themen jenseits von bekannten Herausforderungen wie Digitalisierung und Fachkräftemangel. Wir haben mit ihm gesprochen, um mehr über das Erfolgsgeheimnis der zeitlosen Möbel zu erfahren.
Ein guter Chef verfügt über Erfahrung. Und wo wenig Erfahrung vorhanden ist, prägt ihn vor allem der Charakter. Damit kann man einiges kompensieren. Aber weder Erfahrung noch Charakter nimmt man über einen Schreibtisch oder ein eigenes Büro wahr. Man erkennt diese Führungseigenschaften vor allem dann, wenn man diesen Menschen spürt, wenn er eine Präsenz hat. Und Präsenz hat eine Führungskraft dann, wenn sie in den Dialog mit ihren Mitarbeitern tritt.
Raphael Gielgen ist weltweit vernetzt und sammelt Informationen und Impulse von Unternehmen, um diese im so genannten „Work Panorama” zu visualisieren. Damit erstellt er einen anschaulichen Kontext, mit dem Kunden und Partner von Vitra eine perspektivische Zukunft erleben und die künftige Arbeitswelt, ihre Chancen und Herausforderungen verstehen.
Der Kern von Vitra ist natürlich das Design. Das ist über Jahre entstanden, indem man sich mit Menschen unterschiedlicher Couleur umgeben hat. Das sind Menschen, bei denen sich Produktdesign oder ein Gefühl für Schönheit eingeprägt hat – Dinge, die Menschen berühren und die bedeutsam sind. Gleichzeitig eint alle Mitarbeiter eine Art Grammatik, die zu Vitra passt. Bei Vitra sind die Dinge nie trivial.

Nehmen wir mal den Standard Chair von Jean Prouvé: Ich habe diesen Stuhl schon bei Design Offices gesehen. Du findest ihn aber auch in Restaurants oder in der Küche einer Freundin von dir. Der steht aber auch einer Universität in Holland. Und der ist immer wieder in Büros zu finden. Und warum? Weil er es einfach kann. Das Produkt aus den 30er bzw. 50er Jahren ist in seiner Prägung so vielfältig, dass es auch wunderbar in die heutige Zeit passt.
Natürlich gibt es bei uns auch neue Impulse. Wenn man jetzt überlegt, was die größte Aufgabe unserer Zeit ist, landet man beim Thema Nachhaltigkeit und Umweltschutz. Dem kann sich keiner entziehen. Was bedeutet das für ein Produkt? Am besten wäre natürlich, dass es überhaupt nicht da ist, damit es keine Ressourcen verbraucht. Bei Vitra gehen wir das Thema ganzheitlich an, und das nicht erst seit letztem Jahr. Nachhaltigkeit ist kein Projekt oder Unternehmensziel, sondern steht für eine unternehmerische Haltung, die in jeder Tätigkeit Ausdruck findet. Sei es die Langlebigkeit der Produkte, die Wahl nachhaltiger Materialien, Transparenz in der Produktionskette, unser „net positive“ Footprint auf dem Vitra Campus oder der kürzlich eröffnete Circle Store in Offenbach.

Unsere Produkte wollen ergonomisch vielfältige Aktionen ermöglichen. Den gleichen Eindruck habe ich übrigens auch, wenn ich an Design Offices denke. Menschen kommen zu euch, weil sie hier in Aktion kommen und etwas machen können, was sie woanders nicht machen können. Dieses Konzept braucht die richtigen Produkte, die ein weites Spektrum an Aktivitäten erlauben – Aktionsergonomie eben.
Wir betrachten Ergonomie nicht mit dem Brennglas. Normalerweise sieht man einen Gegenstand und weiß, was man mit ihm tun kann. Aktionsergonomie zeichnet ein Produkt dann aus, wenn viele Leute noch viel mehr Dinge damit tun, als wir selber ursprünglich gedacht haben. Menschen machen etwas mit dem Produkt und machen es damit zu ihrem Produkt. Damit betrachten wir Ergonomie gar nicht aus einer streng medizinischen Perspektive, sondern aus einer ganzheitlichen Nutzerperspektive.



Das kann im Kleinen wie im Großen stattfinden – mal bei einem einzelnen Accessoire und mal bei einem großen Möbelstück. Große Elemente können sogar zur Schaffung einer Art Mikroarchitektur genutzt werden, indem sie den Raum noch einmal zonieren.
Betrachtest du Ergonomie mit dem Brennglas, sagst du zum Beispiel, dass du den perfekten Drehstuhl bauen willst. Das ist für uns aber immer nur ein Teil. Wichtiger ist für uns die Vielfalt und Skalierbarkeit in der Ergonomie. Das ist im Prinzip genauso, wie ihr eure Räume denkt.
Genau. Euer Work Lab ist zum Beispiel die größte Skalierung dieser Aktionsergonomie. Quasi eine räumliche Ergonomie.






It’s a Match, absolut. Aber das hat wahrscheinlich auch damit zu tun, dass eure Zusammenarbeit mit uns quasi seit der Stunde Null besteht. Impulsgeber war damals Steffen Bovenberg, der heute die Vitra Store-Gruppe leitet. Der hat damals auch Michael Schmutzer kennengelernt und dessen Begeisterung miterlebt. Ich glaube, was den Match so gut macht, ist diese lange Beziehung. Wir kennen uns einfach. Das ist stärker als eine normale Kunden-Lieferanten-Beziehung. Und dann bestellt man nicht einfach einen Stuhl oder einen Tisch – da vermittelt man ganze Ideen.

Unsere Gesellschaft hat mit der Trennung der beiden Lebensbereiche über Jahre einen Formalismus geschaffen. Vitra hat diesen Formalismus nicht bedient. Wenn man vor 20 Jahren in eines unserer Citizen Offices reingegangen ist, konnte man damals schon Konzepte sehen, wie es sie heute gibt. Das fühlt sich vielfach gar nicht mehr an wie ein Büro.
Ich glaube, die Grenzen und die Disziplinen werden sich auflösen. Und aus dieser Auflösung entstehen neue Produkte oder Verhaltensmuster, die wiederum zu bestimmten Architekturen führen. Das muss dann auch die Architektur lernen. Im Wohnbau war bei vielen das Homeoffice bisher nicht vorgesehen. Das wird sich ändern. Und damit ändert sich sicher auch die Idee von Design Offices.
Ihr seid heute schon eine physische Business Plattform, die auf das Thema einzahlt. Euer Asset ist die Begegnung, für die ihr die richtigen Räume habt.
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Wahrscheinlich sprechen wir hier auch bald gar nicht mehr von der Future of Work, sondern betrachten die ganze Stadt. Das haben wir total verlernt. Wir verstehen die Sachen nicht mehr, weil wir den Bogen nicht mehr weit genug spannen. Wir müssen Arbeiten in einem erweiterten Horizont denken. Wenn wir den Firmen- und Unternehmenskontext verlassen und uns dem gesamten städtischen Ökosystem zuwenden, ist euer Mehrwert klar erkennbar.
Wolf Lotter (Co-Gründer von Brand.Eins): „Zusammenhänge“
„Dieses Buch beschreibt genau das, was wir wieder lernen müssen: Den Bogen weiter zu spannen, um Zusammenhänge und damit die Welt besser zu verstehen.“
Die Zeit Spezial – Arbeit: „Mein Job. Mein Leben.“
„130 Seiten voll mit dem Thema Zukunft der Arbeit. Weltklasse. Nicht nur, weil da ein Interview von mir drin ist."

Unternehmen stehen vor der Herausforderung, attraktive Lösungen für ihre Mitarbeiter zu schaffen, die angenehmes, produktives Arbeiten ermöglichen und gleichzeitig alle Anforderungen der Digitalisierung erfüllen. Als Marktführer begleiten wir Sie auf dem Weg in die neue Arbeitswelt.
Fotos von Raphael Gielgen: © Vitra